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Das Internet verkommt zum Instrument des verbalen Totschlags

Ich habe mich verrannt. Wie konnte ich nur glauben, dass es ein Gebot der Menschlichkeit sei, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen? Der Gedanke daran, dass diese Bereitschaft von Egoismus und diffusen Ängste der Ureinwohner dieses Staates stark limitiert sein könnte, war weit weg. Inzwischen gehöre ich zu einer krassen Minderheit. Fast zwei Drittel der Deutschen sagen laut einer Umfrage des ZDF: Wir schaffen das NICHT! Es ist absehbar, dass das restliche Drittel der von

Ich habe mich verrannt. Wie konnte ich nur glauben, dass es ein Gebot der Menschlichkeit sei, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen? Der Gedanke daran, dass diese Bereitschaft von Egoismus und diffusen Ängste der Ureinwohner dieses Staates stark limitiert sein könnte, war weit weg.

Inzwischen gehöre ich zu einer krassen Minderheit. Fast zwei Drittel der Deutschen sagen laut einer Umfrage des ZDF: Wir schaffen das NICHT! Es ist absehbar, dass das restliche Drittel der von der Gegenseite mit allerlei unschmeichelhaften Attributen versehenen Deutschen trotz Minusgraden abschmelzen wird.

Es wird gestritten und vor allem beleidigt, dass die demokratische Schwarte nur so kracht. Virtuelle Freundschaften sind zerbrochen. Wir entfolgen uns, schmeißen uns von der Blogrolle und ignorieren die Meinung des anderen systematisch. Beschimpfungen sind an die Stelle von Argumenten getreten.

Ich habe nicht zum ersten Mal darüber nachgedacht, ob ich den Internet-Schmutz nicht komplett aus meinem Leben verbannen sollte. Schließlich bin ich schon 62 Jahre alt und habe den weitaus größeren Teil meines Lebens ohne Internet durchgestanden.

Mein Entschluss, die sogenannten „sozialen“ Netzwerke „Facebook“ und „Google+“ zu tilten, hat mir jedenfalls etwas geholfen, etwas Frieden zu finden.

„Köln“ war für sie wie ein kollektiver Startschuss. All das, was sich im vergangenen Jahr aufgebaut hatte, all die aufgestaute Xenophobie, all der gekränkte Nationalismus, all der autoritäre Staatsglaube, all der Egoismus der neoliberalen Wirklichkeitskonstrukteure brach los in einer einmaligen und von Hysterie und Hass besonders im Internet unheimlich beförderten medialen Hetzjagd, die das Gegenteil war von der Aufklärung, die uns einmal versprochen wurde.Quelle: Köln und die Silvester-Übergriffe: Wahrheit ist ein zartes Gut – Kolumne – SPIEGEL ONLINE | LINK

Warum noch bloggen?

Blogparaden machen mir keinen übermäßig großen Spaß, politische Diskussionen finden kaum noch statt. Nicht in Blogs, obwohl es sie immer noch gibt, die politischen Blogs. In einem noch relativ neuen Blogaggregat ist die Rubrik Politik kaum repräsentiert.

Aber in manchen Weblogs ist es so, dass dort keine kontroversen Diskussionen mehr stattfinden, weil eine bestimmte Haltung inzwischen so dominiert, dass Leute mit anderer Meinung sich ausgeklinkt haben.

Allgemein bin ich der Auffassung, dass es in viel zu vielen Blogs fast nur noch um Schönwetterthemen geht.

***

Thomas Matterne hat einen feinen Artikel über ein Dilemma verfasst, das meine Gedanken an diesem konkreten Punkt berührt hat. 
Wenn Meinungsvielfalt die Gesellschaft gefährdet – Intellektuelles Weichei | Quelle

Dank des Internets muss heute niemand mehr andere Meinungen ertragen. Und immer weniger wollen auch andere Meinungen hören.Quelle: Wenn Meinungsvielfalt die Gesellschaft gefährdet – Intellektuelles Weichei | LINK

 

Der Titel hat mich neugierig gemacht, weil ich – vielleicht etwas voreilig – eine Linie zu meiner These ziehen möchte.

Die Entwicklung demokratischer Gesellschaft(en) hat durch den Einfluss des Internets Schaden genommen. Institutionen und Repräsentanten der Demokratie werden verbal mit Füßen getreten. Es scheint so als wäre der Vertrauensverlust inzwischen so stark, dass der Schaden irreversibel ist.

Und ganz ehrlich, Elsas Nacht(b)revier nicht mehr zu lesen, hat sich nachhaltig gut auf meine Stimmung ausgewirkt.Quelle: Wenn Meinungsvielfalt die Gesellschaft gefährdet – Intellektuelles Weichei | LINK

Selbst Sascha Lobo spricht aus, dass die Art und Weise der Auseinandersetzungen im Internet Wechselwirkungen im wahren Leben erzeugen würde. In meiner Wahrnehmung verhielt es sich lange Zeit so, dass vor allem die so genannten Internet-Aktivisten das Internet lediglich als Spiegel der Gesellschaft sehen wollten. Es ist jedoch viel mehr. Es gibt eine unselige Eigendynamik, die auf unsere Gesellschaften durchaus zerstörerisch wirkt. IMHO.

Die Meldung, dass Hasskommentare zu Facebook – Posts (unerhörterweise von Personal einer Bertelsmann-Tochter) gelöscht werden sollen, wurde im Web als glatter Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gedeutet. Bundesjustizminister Heiko Maas wird beschimpft und beschuldigt – von Rechten und Linken gleichermaßen.

Ich halte es in diesem Fall eher mit der Haltung, die davon ausgeht, dass der Beschimpfte wohl nicht viel falsch gemacht haben wird. Trotzdem bleiben Fragen offen. Es wird danach gefragt, wer denn eigentlich bestimmten würde, was ein Hasskommentar wäre und was nicht. Als ob das wirklich so schwierig wäre. Und als ob nicht jeder Facebook-, Twitter- oder Google+ – Nutzer sind schon hundertfach mit solchen Exkrementen menschlicher Abart konfrontiert worden wäre!

Selbst dieser Diskurs ist typisch für das Internet unserer Tage.

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4 Gedanken zu „Das Internet verkommt zum Instrument des verbalen Totschlags“

  1. Für mich sieht es einfach so aus:

    Das „Wir schaffen das!“ ist überhaupt keine Frage des Könnens, sondern bloß eine des Wollens. Nur darum geht es.

    Und wie es aussieht, will die Mehrheit der Regierungspolitiker gar nicht — sonst hätte sich diese ganze sogenannte Flüchtlingskrise auf politischer Ebene nicht von Beginn an nur zwischen den drei Fragestellungen bewegt:

    1. Wie verhindern wir, dass Flüchtlinge ins Land kommen
    2. Wie sorgen wir dafür, dass wir die ins Land gekommenen möglichst schnell wieder los werden
    3. Wie zwingen wir die sich zur Zeit hier im Land aufhaltenden Flüchtlinge, sich unserem Verhalten samt Denken (naja, Denken… auch eine reine Minderheitenfrage) anzupassen, und zwar so, dass sie uns nicht weiter belästigen

    Und auch der größte Teil der Bevölkerung will wohl gar nicht, wobei sich nur ein kleiner Teil offen zeigt … bzw. sich wie ein Müllhaufen zur Schau stellt. Der größere Teil der sogenannten „besorgten Bürger“ hält (noch) still.

    Zu deren Aufstehen fehlt wohl noch der „richtige“ Brandstifter … … wir kennen ja unsere Geschichte.

    Meine Haltung zu den „sozialen“ Medien kennst du ja.

    Ja, und es ist tatsächlich so, dass ich seinerzeit meine beiden Blogs zugunsten eines eher Foto-orientierten Blogs aufgegeben habe: ich mag mich auch eher nicht mehr öffentlich aufregen bzw. mich per eigenem Blog selbst unter Druck setzen, dies häufiger zu tun. Mich ständig über die alltäglichen Aufreger aufzuregen (meist dreht es sich ja ursächlich bloß um Dummheit und Borniertheit) kostet einfach Lebensqualität.

    Matternes Artikel finde ich übrigens auch wirklich gut.

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  2. Salve, Horst!
    Das klingt fakultativ auf betrübliche Weise resignativ`ehrlich…
    Ich kann Deine daraus resultierenden Schlüsse(l) nachvollziehen…

    Mutmaßlich liegt es an den frühgeriatrisch indzierten, synaptischen Interferenzmodulationen, die erst mit Weisheit aufwarten, um hernach die Demenz anzubiedern…

    GRUMMEL… meiner cerebralen Kohärenz dürstet stets – „Mehr, Mehr, Mehr“ poralisierend – nach Input gegen meinen akuten Hirnfrass, gegen die ich die Logorrhöe erwarb.

    Vorrangiger Tatanlassmotivationstrigger für meine Visite HIER war FEED, der transitional in <50-fachiger Ausfertigung von Dir gestern mittag um exakt 13.34 h in X-englischem XOXO-Spin-Quirx Mahlzeit lieferte…

    Nun nage ich teilzeitbeschäftigt zuweilen jedwedes Stöckchen und Hölzchen gerne an, aber taxonomische Kruzifixe mit achsen-asymmetrisch gelabelten Mumble-Tofu schaue ich nur in 8-bit-Sequenzierung auf Hercules-Monochrom@ISA-Format auf VICE… 😉

    DU MAILS #HABBEWOLLE? 😉
    QUAK´, sage ich als geharnischter non-maskuliner #DonaldDuck, denn wie Donald Duck im frühen Band 247 erwähnt, hatte er als Kleinkind (ebenfalls wie ich) Meningitits und entschuldigt sich vor Daisy erläuternd damit: "Das ist die Krankheit, von der man dumm wird!"
    Nun – 3 Neffen habe ich auch… und mit Onkel Dagoberts weiblichen Pendant wohne ich seit 2 Jahren zusammen…

    "Mea culpa – mea maxima culpa" – Quark mit vulnerablen Leaks führte mich zur VernachTlässigung meiner systematischen Integrität -aka {dir:c}- und lockte scheinbar verhohlen den Erzfeind zum Gefecht…

    Dennoch durchbrach durchbrachen SPAM-Stöckchen des Gedächtnis´ Kruste, so dass ich Deine Seite konsultieren musste… [~J.W.v.G.@]

    Und HunGIER nach FEED FOR: {#ƒƒ= ?} DO: { ƒ ?*t} machen Kekse…;-)

    Deine Kekskrümel zu Thomas M. forcierten zwar Ganglien zu "URI" Aktivität, aber vermutlich war ich überzogen logorrhöisch getarnt und wurde thomasisch-X-SPAM-interpoliert geflagged…

    Du #habbewolle #analygorrhöystige Kommentar? MÄNNO… das Murx neologistische Kompositum aus dem Duftkreis der Sprechdurchfallanalyse klingt ja fast, als böte ich Dir eine "Scheiß Geschlechtskrankheit an" 😉

    War nicht die Absicht… allenfalls die anti-bewussten Intentions-Pestilenzen des Mephistophelischen, der lauernd auf meiner linken Schulter lugt, mir die triste Eternität als Eremit in den Hallen Elysiums prophezeiend einflüstert, in der ich auf EWIG als einäugiger Jude pferdefußhumpelnd meine einsamen Kreise ziehe.

    Vielleicht mache ich ihm einfach laut meckernd eine lange Nase machen und ihm entgehend davontölpeln mit den Schmährufen: "Es steht kein Pferd auf dem Flur ??: ZIEGE! ZIEGE! ZIEGE! 😉

    Als blöde Ziege des Tages verbleibe ich – stets FEED::wachsam

    mit den Qualen des Wartens auf…

    FEED mit Greetz

    Sabine

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  3. Hallo Horst,

    ich habe kein Facebook und auch kein Google+, allerdings mag ich Twitter sehr gerne und auch instagram und komme gut ohne die anderen Kanäle klar. Dadurch bin ich noch auf keine Hass-Kommentare gestoßen – zum Glück.

    Bei politischen Themen sehe ich einen Trend sich an polarisierende Themen anzuhängen. Gerade bei der Flüchtlingsfrage ebbte nach anfänglichem Hurra die Begeisterung sehr ab und schlägt jetzt um in eine negative Richtung. Damit will ich sagen, dass von den Hurra-Rufern viele nur mitgemacht haben, weil „man“ den Flüchtlingen offen gegenüber treten soll zw es erwartet wird. Daher minimiert sich die Zahl derer einfach. Man schwimmt mit der Masse. Und über den Negativ-Trend freut sich die Minderheit der Hasser, die jetzt laut ruft.

    Das ist nur eine These, ich könnte es mir so vorstellen.

    Liebe Grüße, Bee

    AntwortenAntworten
  4. Hallo Horst,

    ich finde du bringst die Thematik und vieles, was ich selber darüber denke, sehr schön auf den Punkt. Soziologisch ist die Zeit gerade wohl wirklich interessant und ich bin wirklich gespannt, wie es mit dem ganzen Thema weitergeht. Ohne zu werten: Es wird auf jeden Fall eine sehr spannende Zeit und ich hoffe innigst, dass wir das alle schaffen bzw. alle mitarbeiten, um etwas zu schaffen. Weil diese ganze Diskussion auf einer Metaebene in den Medien eigentlich nicht wirklich zielführend ist. Schließlich wird dann nur geredet und nicht wirklich in die Hände gespuckt.

    Liebe Grüße und weiter so

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