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Du sollst es einmal schlechter haben als deine Eltern

Eigentlich war es immer nur ein Versprechen, wenn die Eltern gesagt haben: „Du sollst es einmal besser haben als wir“. Im letzten Jahrhundert wurde dieses Versprechen, das nur selten nicht gehalten wurde, so selbstverständlich, dass man hätte meinen können, die Mehrung des Wohlstands für breite Bevölkerungsschichten sei etwas Alltägliches.

Eigentlich gab es dieses Versprechen der Eltern doch schon immer:  „Du sollst es einmal besser haben als wir“.

Das galt für die privilegierten Generationen der Nachkriegsjahre und für einige Glücksfälle darüber hinaus. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde das Versprechen statistisch gesehen eingehalten. Viele der Betroffenen werden nicken und dabei die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder im Kopf haben.

In unserem Land schien es lange so selbstverständlich, dass es unseren Kindern besser gehen wird ihren Eltern. Das war so etwas wie die abgespeckte, bescheidenere deutschen Version des American Way of Life. Die Mehrung und die Wahrung des Wohlstands war für breite Teile der Bevölkerung fast so etwas wie ein Gesetz.

Ausgerechnet eine (berüchtigte) Unternehmungsberatung rückt ein Studienergebnis heraus, das hinter die viele Jahrzehnte andauernden „Gewissheit“ einen Schlusspunkt setzt. „Die jüngere Generation könnte schlechter dastehen als ihre Eltern“.

Deutsche Zeitungen machen daraus Schlagzeilen wie: „Die Jugend wird es schlechter haben„. Die Studie liegt schon seit zwei Wochen an und wird auf Sparflamme diskutiert. Meine Tageszeitung greift erst heute das Thema auf, obwohl die Studie schon fast zwei Wochen draußen ist.

Die folgende, etwas zu pointierte Aussage, auf die sich die „Junge Welt“ bezieht, habe ich nicht wiedergefunden – was allerdings an meinen schlechten Englischkenntnissen liegen könnte:

In Deutschland sorge dafür prekäre Beschäftigung, in die Betroffene mittels Hartz-IV-Sanktionen hineingepresst würden. Zu diesem Ergebnis kommt die global tätige US-amerikanische Unternehmensberatung ­­McKinsey in ihrer am Freitag vorgestellten Studie »Poorer than their parents? Flat or falling incomes in advanced Economies«Quelle: 25.07.2016: Abstieg der Jungen (Tageszeitung junge Welt) | LINK

Also setze ich mal ein Fragezeichen hinter die Objektivität mancher Interpretationen von Studien. Speziell solcher, die sozialen Sprengstoff besitzen. In diesen Zeiten könnte das all die bestätigen, die unser Land schon allein aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen am Rande des Abgrundes sehen. Die gestrigen Nachrichten enthielten die Meldung, dass die Zahl der Hartz IV – Empfänger deutlich gestiegen sei. Grund dafür seien die Flüchtlinge. Das sitzt! Dass die Entwicklung andauern thematisiert wurde und die Nachrichten insofern längst „verfrühstückt“ sein sollte, hindert die Rechten nicht daran, neues Öl ins Feuer zu gießen.

Ob McKinsey solche Begriff oder Formulierungen wie „Hartz IV“ oder „prekäre Beschäftigung“ überhaupt benutzen würde? „Hartz IV“ wird namentlich nicht erwähnt und von prekärer Beschäftigung lese ich in der Studie ebenfalls nichts. Dafür ist von den positiven Effekten der Kurzarbeit die Rede und davon, dass andere Länder dieses aus Deutschland übernommen hätten.

Sind das nicht einige der Instrumente, die jede dieser Kapitalistenknechte ihren Klienten unter normalen Umständen auch empfehlen würden? Womit wenigstens ein kleines Stück „Normalität“ eingetreten wäre.

Es ist von Arbeitsmarktreformen die Rede, die in verschiedenen anderen Ländern durchgeführt wurden. Natürlich in einem positiven Sinn, und das überrascht wenig, eher ist es die positive Konnotation zu den in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden nachträglich durchgeführten Justierungen an den Reformen, um Unterschiede zwischen Zeitarbeitern und Stammpersonal einzukämmen.

[symple_box color=“red“ fade_in=“false“ float=“center“ text_align=“center“ width=“520px“]Die Studie zeigt: Vor allem für die größer gewordene Gruppe geringqualifizierter Arbeitnehmer und arbeitsloser Jugendlicher ist die Gefahr groß, den gesellschaftlichen Anschluss zu verlieren.[/symple_box]

Das Thema kennen wir nicht nur aus dem Ausland, sondern selbst während der noch fortdauernden guten Konjunktur haben wir diese spezifischen Eigenarten, die viele allein als unausweichliche Folge der Globalisierung sehen, auch in unserem Land über Jahre gesehen. Das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern.

Allerdings sind darüber hinaus in den sechs untersuchten Ländern Haushalte nahezu aller Einkommensklassen betroffen: In Italien sind es 97 Prozent, in den USA 81 Prozent, in den Niederlanden und Großbritannien 70 Prozent und in Frankreich 63 Prozent.

Einzig in Schweden ist es gelungen, u.a. durch enge Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften während der Finanzkrise, eine unternehmensfreundliche Steuerpolitik sowie eine vergleichsweise niedrige Staatsverschuldung das verfügbare Einkommen gegen den Trend für die meisten Haushalte zu steigern.Quelle: Immer mehr Menschen leben in Haushalten mit stagnierenden oder sinkenden Einkommen | mckinsey.de | LINK

McKinsey, das ist die Unternehmensberatung, die Rolf Hochhuth in seinem Theaterstück „McKinsey kommt“ als Synonym für die Ohnmacht von Arbeitnehmern gegen willkürliche Massenentlassungen beschrieben hat.  Insofern ist es schon bemerkenswert, Aussagen dieser Firma zu lesen, die auf Sorgen über den gesellschaftlichen Zusammenhalt schließen lassen.

Interessant fand ich, dass McKinsey die Vorzüge des Dualen Systems in Deutschland ausdrücklich erwähnte. Vor ein paar Tagen gab es nämlich einen Kommentar in den Tagesthemen, der den Abgesang auf dieses bisher bei uns doch so hoch gehaltenen Instruments verkündete.

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Im Kern bestätigt auch diese Studie, dass die Mittelschichten in vielen Ländern abschmilzt und dass junge Leute hiervon stärker betroffen sind. Man braucht sich nur in seiner Familie oder im Bekannten- und Freundeskreis umzuschauen, um zu verstehen, dass genau dieses auch hier bei uns in Deutschland passiert.

Wir kennen die Argumente der Gegenseite. Es darf halt nicht sein, was nicht sein darf. Aber die Spannungen in unserer Gesellschaft sind längst deutlich vernehmbar. Da ist es nicht mehr damit getan, sich mit gegensätzlichen Studien beruhigen zu wollen.

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