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Springers selektive Wahrheit

∼ 3 Min. Lesezeit

Es ist, ich will’s noch mal klar sagen, es ist nicht alles wahr, was in der BILD-Zeitung steht.

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, gestern bei „Maischberger“

Es gibt sicher genug Leute, die den Vorwurf teilen, dass Karl Lauterbach oft übertreibt und dazu neigt, die schlimmsten Szenarien an die Wand zu malen. Ich sehe es anders. Ich war gerade deshalb für den Wissenschaftler Lauterbach im Amt des Bundesgesundheitsministers, weil ich wollte, dass uns mal reiner Wein eingeschenkt wird. Er macht seine Sache bisher gut. Übrigens, gerade auch im Vergleich zum vorigen Gesundheitsminister, der anders, aber leider nicht gewissenhafter gearbeitet hat.

400 – 500 Tote am Tag

Einer der Vorwürfe, die Frau Rosenfeld Lauterbach machte, war, dass seine Aussage über 400 – 500 Tote am Tag Angst geschürt habe. Es ging darum, dass Lauterbach sich gegen die kurzfristige Rücknahme der Coronamaßnahmen gewandt hatte und seine Weigerung mit einem Anstieg der täglichen Todeszahlen begründete. Es ging um den Vergleich mit Israel. Dort waren gerade die Maßnahmen aufgehoben worden.

Darf ich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass heute immer noch täglich über 200 Menschen in unseren Krankenhäusern sterben? Wie weit ist diese Zahl von der Zahl entfernt, die Lauterbach für das besagte Szenarium errechnet hatte? Manchmal denke ich, die Leute malen sich die Welt genau so, dass sie ihnen in ihren Kram passt.

Journalisten dürfen alles, auch die Reputation von Wissenschaftlern mit fadenscheinigen Argumenten zerstören

Worin unterscheiden sich aber die Journalisten der Springerpresse? Machen sie das besser? Ich meine, dass sie Bundesgesundheitsminister, Karl Lauterbach, wiederholt und vehement vorhalten, stets vom schlechtesten Fall auszugehen, ist in dieser Pandemie schließlich kaum zu beweisen? Dabei verbreiten sie auf ihren Kanälen unbelehrbar, noch ungesicherte, weil vorläufige, Erkenntnisse.

Ein Beispiel:

Daten aus Israel deuten auf einen eher geringen Zusatznutzen einer vierten Corona-Impfdosis beim Schutz vor Omikron-Ansteckungen hin. Bei Personal im Gesundheitswesen sind mit einer vierten Dosis eines mRNA-Impfstoffs zwar Antikörperspiegel wie kurz nach dem Booster wiederhergestellt worden, allerdings sind Durchbruchsinfektionen verbreitet gewesen, wie aus einem noch nicht von externen Fachleuten geprüften Paper eines israelischen Teams hervorgeht. LINK

Corona-News: Kubicki wirft Ländern „Verschleierung“ langfristiger Corona-Maßnahmen vor – WELT

Respektlose Schnepfen

Überhaupt hat die konservative Presse in diesem Land, Springer vornweg, sich offenbar vorgenommen, die brachialen Propagandafeldzüge des genötigten Rauswurf von Ex-„BILD“-Chefredakteur Reichelt unbeirrt weiterzuführen. Vermutlich der neuen Union und natürlich ihrem eigenen Ruf zuliebe. „BILD“ scheint sich an rt deutsch ein Beispiel zu nehmen. Dabei sind die in ihrer Wortwahl noch längst nicht so brutal, wie es die „BILD“-Leute, mitunter auch ihre Kollegen von der „Welt“ sind.

Die respektlose Art und Weise, in der gestern Frau Rosenfeld, Chefredakteurin „Welt“, Lauterbach bei „Maischberger“ anging, fand ich schwer erträglich. Die Art und Weise, in der Springer-Leute ständig über ihn herfallen, ist inakzeptabel. Diese Leute legen es auf die Desavouierung und Zerstörung der Glaubwürdigkeit von Lauterbach an.

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2 Gedanken zu „Springers selektive Wahrheit“

  1. Ich habe Respekt vor Lauterbach.

    Vor einigen Tagen schenkte er reinen Wein ein: wir haben jetzt generell ein etwas schlechteres Leben und zwar für mind 10 Jahre.

    Keiner will schlechte Nachrichten, aber wenn sie wahr sind, wieso wegschauen und weghören?

    Der Mann hat Kompetenz und Resilienz satt.

    AntwortenAntworten
  2. Genauso sehe ich es auch. Ich halte es für wichtig und richtig, dass Politiker solche möglichen, also realen Perspektiven benennen. Ist das nicht genau das, was normalerweise nie passiert? Oftmals vor allem deshalb, weil es für Politiker zu unbequem ist? Wir hätten vielleicht längst ein anderes, modernes Rentensystem, wenn Politiker drangeblieben wären. Schließlich war die Tatsache, dass wir ein demografisches Problem bekommen werden, schon seit Ende der 1970-er Jahre bekannt. Getan hat Politik nichts. Weils die Politiker dafür zu feige waren – würde ich sagen. Lauterbach ist mutig und er hält dem Druck bisher erstaunlich gut Stand. Gerade das bewundere ich an ihm. Er bleibt souverän, auch wenn er massiv angegangen wird. Aber mir ist klar, dass es viele gibt, die genau das auf die Palme bringt. Endlich ein Politiker, der seine Meinung sagt und keine Angst davor hat, deshalb seinen Posten zu verlieren. Wie es in diesen stürmischen Zeiten um sein Innenleben bestellt ist, möchte ich aber nicht wissen.

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